Nach der Kieferorthopädie wird alles wieder schief, was kann ich tun?

Frage von Frau L.K.:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe Ihre Praxis bei Google gefunden und bin froh um solche Angebote; Insbesondere in Hinsicht auf das Eingehen von Fragen der Patienten – Dem FAQ.
Mir ist sehr bewusst, dass sie keine Ferndiagnose führen können, aber ich hoffe auf eine unverbindliche Einschätzung meiner Situation.
Ich habe im Alter von 12 Jahren bereits eine kieferorthopädische Behandlung hinter mich gebracht. Damals wurde mit einer festen Zahnspange im OK und einer losen Zahnspange im UK behandelt.
Nach dem Abschluss der Behandlung standen meine Zähne trotz des Engstand kerzengerade und passten wunderbar aufeinander – So wie es sein soll eben.
Kurz nach Abschluss der Behandlung kamen jedoch – im Wissen meiner damaligen Kieferorthopädin – die Weisheitszähne, welche ca. einen Monat darauf gezogen wurden.
Meine losen Zahnspangen sollte ich dennoch nicht mehr einsetzen.
Mit der Zeit begannen sich die Zähne zwar wieder zu verschieben. Die erneut aufkommende Fehlstellung ergab weitestgehend keine Probleme beim Aufbiss.
Seit November 2010 ist es nun allerdings so, dass ich extreme Veränderungen verspüre. Meine Eckzähne haben sich gedreht, der rechte mittlere Schneidezahn im OK schiebt sich nach vorne und die seitlichen Frontzähne im OK schieben sich hinter die mittleren.
Im UK sieht es etwas anders aus. Dort schieben sich die seitlichen Frontzähne nach außen und drücken die mittleren nach innen, so dass sich der linke mittlere seitlich hinter den rechten mittleren Schneidezahn schiebt.
Soweit so gut. Über die Ästhetik lässt sich nun schreiben. Die Fehlstellung sieht nicht bemerkenswert furchtbar aus und auf den ersten Blick lässt sich das Ausmaß dieser auch nicht erkennen.
Nun habe ich im Dezember 2010 angefangen heftig mit den Zähnen zu knirschen.
Ich berichtete meinem Zahnarzt daraufhin von diesem Problem, welcher mir eine Schiene für die Nacht verschrieb.
Anhand des Einsetzen am Abend konnte ich Stück für Stück merken, wie diese Schiene immer ‚enger‘ zu werden schien. Sie passte nicht mehr wirklich – Insbesondere an den Frontzähnen. Deutliche Veränderungen waren allerdings nicht zu sehen.
Nach ca. 2 Monaten habe ich das Tragen der Schiene auf Grund der Schmerzen beim Einsetzen abgelehnt, wobei nicht nur die Schmerzen beim Einsetzen, sondern auch die beim morgendlichen herausnehmen zu beachten sind.
Mein UK und OK passten nicht mehr aufeinander. Kein Zahn passte irgendwie zum anderen.
Mittlerweile sieht die Situation wie wie folgt aus:
Das Knirschen hat deutlich abgenommen und ist nur noch selten vorhanden. Dafür habe ich immer deutlicher werdende Schmerzen im Kiefergelenk, insbesondere beim Öffnen meines Mundes.
Diese Schmerzen treten nicht am Morgen auf, sondern vorwiegend tagsüber, nach dem Essen oder beim Versuch, die Zähne aufeinander zu legen.
Die Eckzähne liegen komplett aufeinander und verlieren zunehmend deutlich an Profil. Die Höcker sind mittlerweile richtig abgestumpft und von einem Eckzahn ist nicht mehr viel zu erkennen. Er ist in Höhe und Form identisch zu den anderen.
Damit meine Schneidezähne nicht aneinander docken oder in manchen Momenten teilweise aneinander liegen muss ich meinen Unterkiefer regelmäßig nach hinten drücken. Sofern ich dies nicht mache beiße ich mit der Front auf, komme mit den hinteren Zahnreihen aber nicht mehr aufeinander.
Ebenso nimmt der Schmerz in den hinteren 4- 8 Backenzähnen (UK + OK) deutlich zu. Besonders die hintersten Zähne drehen sich ab und an eher raus, gewinnen also optisch an Höhe, oder drücken sich in das Gelenk rein, werden also optisch kleiner.
Außerdem merke ich mit dem entlang streifen der Zunge, dass die hinteren Zähne verschiedene Anreihungen vorweisen – Die hinteren Backenzähne z.B. drehen sich in Richtung Zunge, also nach innen.
Vor eine Woche kam dann der Clou des Ganzen Desasters. Beim Versuch etwas zu essen verschob sich der vorhin erwähnte, mittlere Frontzahn im UK deutlich nach innen. Nach einigen Versuchen mit den Fingern musste ich feststellen das der Zahn extrem an Halt verlor und anfing wie ein Milchzahn vor dem Fall zu wackeln.
Er ist nun, nach einer radikalen Suppen-Diät, wieder etwas fester, jedoch nach wie vor deutlich beweglich.
Ich war in der gesamten Zeit bei 5 verschiedenen Zahnärzten und 6 verschiedenen Kieferorthopäden und erzählte Stück für Stück die selben Vorfälle, wie hier beschrieben.
Jeder der Zahnärzte riet mir zur Extraktion einiger Backenzähne, niemand wollte dies allerdings übernehmen. Das Hauptargument „Gesunde Zähne ziehen wir nicht.“ scheint hier sehr verbreitet zu sein.
Die Kieferorthopäden konnten zwar keinen offensichtlichen Grund für meine Sorgen erkennen und auch die Fehlstellung hielt sich auf den ersten Blick stark in Grenzen, dennoch waren sie alle bereitwillig eine Analyse durchzuführen.
Der durchschnittliche Preis hierfür sollte 300€ betragen. Man sagte mir zwar, dass die Behandlung nach Punkten abgerechnet wird, versicherte mir auch, dass bei mir nicht viel zusammen käme, aber das kann ich mir bei den Beschwerden kaum vorstellen.
Fakt ist, dass ich mir weder die 300€ für die Analyse, noch die folgende kieferorthopädische Behandlung leisten kann – Auch, wenn es ggf. Notwendig wäre.
Da ich keinen Kredit oder ähnliches aufnehmen kann, kommt auch dies für mich nicht in Frage (beginnende Selbstständigkeit).
Ich hoffe, ich habe alles weitestgehend genau beschrieben und würde mich über eine grobe und unverbindliche Einschätzung zu diesem Fall freuen. Ich bin mir sehr bewusst, dass Sie keine ausführliche und aussagekräftige Diagnose fällen können, wäre aber für jeden noch so kleinsten Ansatz sehr dankbar.
Mittlerweile bin ich wirklich an meinen Zähnen verzweifelt. Essen ist kaum mehr möglich, das Öffnen / Schließen des Mundes mit starken Schmerzen verbunden und glaubwürdig scheint das Ganze auf den ersten Blick auch nicht zu wirken – Jedenfalls nicht auf die von mir besuchten Kieferorthopäden.
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen!
Mit ganz viel Hoffnung,
L.K.

Antwort Dr. Weber:
Es gilt streng zwischen zwei Problemkreisen zu trennen.
Als erstes steht natürlich die medizinische Frage im Vordergrund. Hierbei ist es extrem wichtig eine gute Diagnose zu stellen. Die von Ihnen geschilderten Probleme könnten sich beispielsweise aus verschiedenen Ursachen zusammensetzen: Zahnverschiebung durch natürlichen Drift der Zähne nach vorne (das kann bei jedem Menschen geschehen, auch ohne eine frühere Spangenbehandlung), vielleicht kommt der Schmerz über die Muskulatur von Pressen und Knirschen?, vielleicht ist das Kauen schlecht möglich wegen Erkrankungen des Kiefergelenkes? All dies sind denkbare Teile einer Situation wie Sie sie schildern, es können aber auch ganz andere Faktoren beteiligt sein. Deshalb gilt: erst die Diagnose, dann die Therapie.
Übrigens muß ich leider noch mehr Wasser in den Wein gießen: eine Situation, wie von Ihnen beschrieben, neigt dazu im Laufe der Zeit eher noch schlechter zu werden.

Nun zum zweiten unangenehmen Teil, der Kostenfrage. Kiefergelenkschmerz ist (abgesehen von einer sehr einfachen, zur Gesamtlösung jedoch meist nicht ausreichenden Schiene) nicht Gegenstand der kassenzahnärztlichen Versorgung. Dafür können weder Krankenkassen noch Zahnärzte etwas. Das ist politischer Wille. Im Sozialgesetzbuch V steht hierzu:
„Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden.“

Wenn Sie über 18 sind gilt ähnliches auch für eine erneute kieferorthopädische Behandlung. Solange die Ursachen Ihres Schmerzes nicht eindeutig geklärt sind, würde ich Ihnen aber sowieso von zahnverändernten Massnahmen eher abraten (dazu gehören: Zahnspangen, Zähne ziehen, neue Füllungen, Kronen, Brücken oder ähnliches, vgl. hierzu auch folgende zwei Beiträge: MSA und Patientenfall).

Es tut mir Leid Ihnen keine besseren Nachrichten geben zu können.
Gute Besserung und alles Gute
Ihr
Dr. Joachim Weber

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